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Sebastian Nawrot
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ADHS & Fokus

ADHS & Hyperfokus: Fluch und Segen als Entwicklerr

Wie ich ADHS von einer Schwäche zur Stärke gemacht habe - und warum Hyperfokus beim Programmieren ein Game-Changer ist.

Sebastian Nawrot
5 Min. Lesezeit
#ADHS#Produktivität#Neurodiversität#Persönliches

Lange Zeit habe ich ADHS als Fluch gesehen. Die Ablenkbarkeit, das Chaos im Kopf, die Schwierigkeit, Aufgaben zu Ende zu bringen - all das hat mich frustriert. Aber als Entwickler habe ich gelernt: ADHS kann eine Superkraft sein.

Was ist Hyperfokus?

Hyperfokus ist ein Zustand intensiver Konzentration, in dem ich alles um mich herum vergesse. Stunden vergehen wie Minuten. Ich löse komplexe Probleme, refactore ganze Codebases, lerne neue Technologien - alles in einem Flow.

Für viele Menschen mit ADHS ist Hyperfokus das Gegenteil von dem, was man erwartet:

  • Nicht ablenkbar: Selbst laute Geräusche erreichen mich nicht
  • Extreme Produktivität: In 4 Stunden schaffe ich mehr als andere in 2 Tagen
  • Tiefes Verständnis: Ich dringe tief in Materie ein, verstehe Zusammenhänge

Hyperfokus beim Coding

Beim Programmieren ist Hyperfokus meine Geheimwaffe:

1. Debugging-Sessions

Wenn ein Bug mich packt, lasse ich nicht los. Ich trace den Code, lese Dokumentationen, teste Edge Cases - bis das Problem gelöst ist. Manchmal realisiere ich erst nach 6 Stunden, dass ich vergessen habe zu essen.

// Ein Bug, der mich 8 Stunden gekostet hat:
// Async/Await in einem Array.map() ohne Promise.all()

// ❌ Falsch (läuft parallel, aber wartet nicht)
const results = items.map(async (item) => {
  return await processItem(item);
});

// ✅ Richtig
const results = await Promise.all(
  items.map(async (item) => await processItem(item))
);

Aber die 8 Stunden waren nicht verschwendet - ich habe dabei so viel über Promises gelernt, dass ich jetzt ein Experte bin.

2. Refactoring-Marathons

Wenn ich einmal anfange zu refactoren, kann ich nicht aufhören:

  • Eine Komponente wird zu einem ganzen Design-System
  • Eine kleine Optimierung wird zu einer kompletten Performance-Überarbeitung
  • Ein "Quick Fix" wird zu einem 3-Tage-Projekt

Ist das effizient? Nicht immer. Aber die Codequalität, die dabei entsteht, ist herausragend.

3. Neue Technologien lernen

Wenn mich eine neue Tech interessiert, tauche ich komplett ein:

  • Dokumentation von A bis Z
  • Tutorials in Dauerschleife
  • Eigene Projekte zum Experimentieren

So habe ich in 2 Wochen Three.js gelernt, in 3 Tagen SuiteCRM-Module entwickelt, in 1 Wochenende ein komplettes Next.js-Projekt aufgesetzt.

Die Schattenseiten

Aber Hyperfokus hat auch Nachteile:

Task-Switching ist die Hölle

Wenn ich im Flow bin und jemand mich unterbricht, ist es vorbei. Es dauert 20-30 Minuten, bis ich wieder reinfinde. Deswegen:

  • Keine Meetings während Deep Work: Meine produktivsten Stunden sind 8-12 Uhr - da bin ich für niemanden erreichbar
  • Async-First Communication: Slack, E-Mail, alles mit Verzögerung
  • Blocked Calendar: Fokus-Blöcke sind heilig

Vergessen zu essen/trinken/schlafen

Im Hyperfokus vergesse ich Grundbedürfnisse:

  • Mittags wird zu 16 Uhr
  • "Kurz mal schauen" wird zu 6 Stunden
  • "Gleich ins Bett" wird zu 3 Uhr nachts

Meine Lösung: Timer & Alarme

  • Pomodoro (25 Min. Fokus, 5 Min. Pause)
  • Wasser-Reminder auf der Apple Watch
  • Feste Schlafenszeit-Alarm (22:30 Uhr = Laptop zu)

Burnout-Gefahr

Wenn ich tagelang im Hyperfokus bin, zahle ich den Preis:

  • Totale Erschöpfung danach
  • Emotionale Dysregulation
  • Reizüberflutung

Als hochsensibler Mensch ist das doppelt gefährlich. Ich muss Pausen einplanen.

Meine Strategien

So nutze ich Hyperfokus produktiv, ohne auszubrennen:

1. Projekte bewusst wählen

Ich nehme nur Projekte an, die mich wirklich interessieren. Wenn das Thema mich nicht packt, gibt es keinen Hyperfokus - nur Prokrastination.

Deswegen: 1 Projekt zur Zeit, 100% Fokus.

2. Zeitboxing

Auch im Hyperfokus setze ich harte Grenzen:

  • Max. 4 Stunden am Stück
  • Dann: 30 Min. Pause (rausgehen, bewegen)
  • Max. 2 Sessions pro Tag

3. Umgebung optimieren

  • Noise-Cancelling Kopfhörer: Bose QC 45, immer griffbereit
  • Lo-Fi Music: Brainwave-Musik für Fokus
  • Aufgeräumter Desk: Visueller Clutter stört massiv
  • Gute Beleuchtung: Tageslichtlampe im Winter

4. Dopamin-Management

ADHS-Gehirne sind dopamin-hungrig. Ich gebe mir bewusst Dopamin-Kicks:

  • ✅ Checkboxen abhaken (Todo-Listen sind Gold wert!)
  • 🎵 Musik, die mich motiviert
  • ☕ Koffein (aber in Maßen)
  • 🏆 Kleine Erfolge feiern

Was ich Kunden sage

Als Freelancer mit ADHS bin ich ehrlich:

"Ich arbeite anders. Ich brauche keine 40 Stunden pro Woche - ich brauche 20 Stunden Hyperfokus. Dafür liefere ich Qualität, die andere in 60 Stunden nicht schaffen."

Das funktioniert, weil ich:

  • Transparenz biete: Ich kommuniziere meine Arbeitsweise
  • Ergebnisse liefere: Am Ende zählt der Output, nicht die Stunden
  • Grenzen setze: Keine Meetings von 8-12 Uhr, keine Anrufe ohne Termin

Fazit

ADHS ist nicht mein Feind. Hyperfokus ist meine größte Stärke als Entwickler - wenn ich ihn richtig einsetze.

Wenn du auch ADHS hast:

  • Akzeptiere deine Andersartigkeit
  • Nutze Hyperfokus bewusst
  • Schütze dich vor Burnout
  • Finde Strategien, die für dich funktionieren

Und wenn du neurotypisch bist: Vielleicht verstehst du jetzt besser, warum dein ADHS-Kollege manchmal 6 Stunden verschwindet und dann ein Feature liefert, das eigentlich 3 Tage dauern sollte 😉


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